doris

Seit einigen Jahren begehen wir in unserer Schule den Tag des Buches, indem wir in den verschiedenen Schulhäusern von Reichenbach irgendetwas Spezielles organisieren, um die Lesefreudigkeit der Kinder zu fördern. Aber diesmal wollte ich nicht nur einfach lesen! Nein, ich dachte an Rosmarie!
Schon mehrmals hatte sie mir in ihrem kleinen Buchladen in der Berner Matte die Bücher gezeigt, die sie mit Schulklassen erarbeitet hatte. Und als ich sie ganz spontan fragte, ob sie meinen 4.-6.-Klässlern in Reudlen am diesjährigen Tag des Buches einen kleinen Input geben könnte, war plötzlich das Projekt "Buch" Realität. Es sollte bis Ende Schuljahr bereits fertig sein! Wir entschieden uns für fünf Gruppengeschichten und verzichteten aus Preisgründen auf Farbdruck. Und so hatten wir auch das Thema schon: Schwarz-weiss! Zu einem farbigen Titelblatt hat es glücklicherweise doch noch gereicht.
Am zweiten Tag nach den Frühlingsferien überraschten wir also die ahnungslosen Kinder mit unserer ehrgeizigen Idee. Und wir erschraken nicht schlecht - jedenfalls ich - als sie in alles andere als Begeisterung ausbrachen.
«Uh, muss das sein?»
«Müssen wir alle schreiben?»
«Ich kann das aber nicht!»
 Doch Rosmarie liess sich nicht beirren. Die Gruppen legte ich fest, daran gab es nichts zu rütteln. Dann mussten Ideen her zum Thema Schwarz-weiss. Auf Flipchart-Bögen entstanden alle möglichen Formen von Stichwörtern, Mind-maps und Erzählpartituren und langsam kristallisierten sich brauchbare rote Fäden heraus. Nun mussten Steckbriefe und Handlungsorte umschrieben werden. Als dann die Laptops ins Spiel kamen - pro Gruppe einer - kam Leben in die Sache! Wer darf, soll, muss schreiben? Und was machen die andern? Parallel zum Ausdenken und Erfinden wurde gezeichnet: Die Hauptfiguren, die Hintergründe, einzelne Szenen und schliesslich das Titelbild zur eigenen Geschichte. Und die, welche am Anfang am lautesten gestöhnt hatten, waren jetzt am eifrigsten bei der Sache. Nach vier Wochen waren bereits zwei Geschichten fertig. Es ging in den Endspurt: Schluss und Titel finden, überarbeiten, korrigieren mit dem Korrekturprogramm, das nicht immer zuverlässig war … Und nach nur fünf Wochen hiess es: Stopp! Abgabetermin!
Nun hatte ich noch zwei Tage Zeit für die restlichen Korrekturen und las die Geschichten zum ersten Mal im ganzen Zusammenhang durch. Ich war und bin begeistert! Was die Kinder da in Rekordzeit zustande gebracht haben, ist alles andere als grau und eintönig. Es reicht von Tiefschwarz bis Strahlendweiss, erzählt von Trauer und Freude, Höhen und Tiefen in Angst und Erleichterung, von Gut und Böse in Form von Aliens und Engeln sowie von Krieg und Versöhnung zwischen Mensch und Tier. Und überall sind die Grenzen fliessend, vermischen sich und werden ganz schön bunt - so bunt gemischt, wie die Gruppen, in denen sie entstanden sind.
Kinder, ich bin stolz auf euch!
Doris von Wurstemberger